Fehlen der Sprache die Worte?

Nach der letzten Episode von TROSTSTOFF war ich etwas geknickt, weil ich das Gefühl hatte, nicht die richtigen Worte gefunden zu haben. Es ging um das Buch “Laufen” von Isabel Bogdan. Die Geschichte erzählt von einer Frau, deren Freund sich das Leben genommen hat. Ist “Suizid” dann das richtige Substantiv? Laut Duden ja, aber für mich fühlte es sich nicht richtig an. Isabel sagte im Interview, Suizid klinge technisch. Selbstmord? Mord beinhaltet Heimtücke. Kann man heimtückisch gegen sich selbst sein? Freitod? Wie frei ist man, wenn man aus einer tiefen Depression heraus handelt?

Sterben. Wenn man ein Synonym dafür sucht, ist man schnell bei “ableben”, “versterben”, “aus dem Leben scheiden”, “erblassen” oder “sanft entschlafen”. Für mich klingen diese Wörter merkwürdig. Es gibt Metaphern für den Tod: “den Löffel abgeben”, “die Radieschen von unten anschauen”, “ins Gras beißen”. Ich verstehe den Versuch, sich mit Humor zur Wehr zu setzen, eine Distanz schaffen zu wollen zum unvermeidlichen Ende, aber haben diese Metaphern nicht auch etwas würdeloses?

Manchmal zucke ich auch in der umgekehrten Situation. Wenn es gar nicht um den Tod geht, ihm aber Wörter entliehen werden. In Interviews oder Reden bei Politiker*innen heißt es oft: “Das Kind ist in den Brunnen gefallen” oder “die Idee war von Anfang an eine Totgeburt”, wenn sie sagen wollen, dass ihnen eine Lösung missfällt. Medien schreiben “die Partei ist wieder in der Todeszone”, wenn Parteien in Umfragen unter fünf Prozent rutschen. 

Als Kind war mein größtes Problem mit dem Tod, ob man ihn mit “d” oder “t” schreibt. Heute denk ich, dass ich mir meiner Worte mehr Gewahr sein möchte, Ausschau halten will in der Literatur nach Wörtern. Ob der Sprache vielleicht auch die Worte manchmal fehlen? Worte verletzen so schnell. Schweigen aber auch. 

Eure

Winnie Heescher