“Ich lerne das jetzt kennen” – eine Begegnung mit Maren Wurster

In dem Garten eines Berliner Pflegeheims habe ich vor zwei Wochen die Schriftstellerin Maren Wurster getroffen und mit ihr über zwei ihrer Bücher gesprochen. Das Pflegeheim ist ein besonderer Ort, denn dort lebt Marens Mutter, die an Demenz leidet. In dem Pflegeheim ist auch ihr Vater verstorben und Maren hat dort auch drei Tage Totenwache für ihn abgehalten. 

Ich kenne kaum noch Menschen, die wissen, was eine Totenwache ist oder gar eine Totenwache abhalten. Und ich kenne nur sehr wenige Menschen wie Maren, die so ihrer Intuition vertrauen. „Ich habe gespürt, dass eine Erfahrung für mich darin liegen könnte, darein zu gehen. Vielleicht liegt es auch in meinem Wesen, die Dinge extrem anzugehen. Also zu sagen: Das ist jetzt die Situation, ich mache das jetzt, ich ziehe das jetzt durch, ich lerne das jetzt kennen.“ 

Maren hat ihre Erfahrungen niedergeschrieben. In „Papa stirbt, Mama auch“ erzählt sie von der Verwahrlosung und vom körperlichen Verfall ihrer Eltern, von ihrer schweren Entscheidung, die Eltern von Stuttgart nach Berlin zu holen. Und was sie dann dort im Schutz des Heimes doch noch als Paar und Familie erleben konnten: Museumsbesuche, Skatrunden, Chor. Maren hat mit ihren Eltern noch Erinnerungen schaffen können. Über manche haben wir im Gespräch laut gelacht. 

Marens Vater ist schon verstorben, er ist alleine gestorben. Die Mutter war beim Frühstück, Maren zuhause. Auch darüber hat sie erzählt. Was es ihr bedeutet, im Augenblick des Todes nicht bei ihm gewesen zu sein, wie die Totenwache abgelaufen ist und wann sie gemerkt hat, dass sie ihr Vater tatsächlich gegangen ist. Warum der Vater der erste Tote ist, den sie gesehen hat und was sie selbst im Umgang mit Sterben und Tod bei ihrem Sohn anders macht. Auch diese Erfahrung hat sie im Schreiben verarbeitet: „Totenwache“ heißt das Buch. 

Wir hätten noch lange dort im Garten sitzen und sprechen können. Es war ein warmer Herbsttag, die Blätter purzelten ab und an auf uns herunter. Und ich spürte Marens Ringen um Worte, Gedanken und Bedeutungen über Leben und Sterben und Trauer. Und so schwer es mir gefallen war, das Buch „Papa stirbt, Mama auch“ zu lesen, so leicht war es für mich, mit Maren über all das zu sprechen. Unverstellt, klar, offen. Tröstlich. 

Und Trost wünsche ich Ihnen und Euch beim Hören auch.

Herzlich 
Winnie Heescher