die leise Last

“Was ist eine Geschichte, bevor sie in Worte gefasst wird?

Reine Erfahrung, würde ein buddhistischer Mönch vermutlich antworten. Pure Existenz. Das unfassbare und unbegreifliche Gefühl eines Jungen, der seinen Vater verloren hat. Wir Bücher wissen es nicht. Wir kennen nur die Gedanken, die infolge reiner Erfahrung entstehen wie Schatten oder Echos, die dem eine Stimme geben, was nicht mehr ist. Und wenn Gedanken zu Wörtern werden, und aus Wörtern Geschichten, was bleibt dann von der reinen Erfahrung übrig? Nichts, würde der Mönch vermutlich sagen. Alles, was bleibt, ist eine Geschichte wie ein abgestreifter Hautpanzer oder eine leere Muschelschale. Aber ist das wirklich alles? Wir Bücher würden das verneinen. Eine Geschichte ist mehr als nur ein Abfallprodukt eurer reinen Erfahrung. Eine Geschichte ist ihre eigene reine Erfahrung. Fische schwimmen im Wasser, aber sind sich nicht des
Wassers bewusst. Vögel fliegen durch die Luft, aber sind sich nicht der Luft bewusst. Eine Geschichte ist die Luft, die ihr Menschen atmet, das Meer, in dem ihr schwimmt, und wir Bücher sind die Felsen entlang der Küste, die eure Ströme lenken und eindämmen.
Bücher werden immer das letzte Wort haben, auch wenn keiner mehr da ist, sie zu lesen.“

Bücher sind eben mehr als Dinge. Sie können trösten und in diesem Buch von Ruth Ozeki sprechen sie zu einem. Zu Benny zum Beispiel. Er ist 14 Jahre alt und sein Vater ist gestorben. Benny und seine Messie-Mutter kommen nicht mehr klar mit ihrem Leben. Aber dann sind da die Bücher…Und wie immer, wenn ein Buch vom @eisele_verlag kommt, hat es auch dieses Buch ein so schönes Cover! 

Ruth Ozeki: Die leise Last der Dinge. Übersetzt von Andrea von Struve und Petra Post. Eisele Verlag. 688 Seiten. 26 Euro.